Ein kurzer Blick ins 12. Jahrhundert – Die Nicolaikirche
Unterröblingen. Provinz Sachsen, Mansfelder Seekreis. Beispiel einer größeren romanischen Dorfkirche. Schiff rechteckig mit 3 Fenstern und 2 Türen; im Westen niedriger Turm, gegen das Schiff in 2 Arkaden geöffnet; quadratischer Vorchor und halbkreisförmige Apsis. – Sucht man in einschlägiger Literatur nach Informationen zur Nicolaikirche, stößt man meist auf so oder ähnlich lautende Formulierungen, hier: Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler in 2. Auflage von 1914. Kurz und knapp. Nach drei Zeilen hat man ein mehr oder weniger deutliches Bild vor Augen. Zumindest auf den ersten Blick. Aber wie jedes Gebäude hat auch die Unterröblinger Kirche ihre Eigentümlichkeiten und Besonderheiten. Und die offenbaren sich oftmals erst bei genauerem Hinsehen. Und dieser 2. Blick lohnt sich auf jeden Fall...
St. Nicolai ist ausgehend vom Grundriss eine Saalkirche. Basierend auf ihren Grundrissen lassen sich Dorfkirchen in verschiedene Typen einteilen. Seitens dieser Einteilung zählt die Kirche zu den vollständigen Anlagen, bestehend aus Querwestturm, Schiff bzw. Saal, Chor und Apsis. Als charakteristisches Merkmal dieses gestaffelten Typs wäre zunächst der Turm in Breite des Schiffs zu nennen, während der Chor und die daran anschließende Apsis eingezogen, gegenüber der Breite des Schiffs also schmaler sind.
Die Romanik bezeichnet eine europaweite Kunstepoche des Mittelalters, beginnend Ende des 10. Jahrhunderts und mit dem Übergang zur Gotik bis ins 13. Jahrhundert andauernd. Der Begriff wurde allerdings erst im 19. Jahrhundert geprägt. Unterschieden wird allgemein in eine früh-, hoch- und spätromanische Phase, wobei die Übergänge eher fließend zu sehen sind. Regionale Unterschiede und Besonderheiten lassen zudem nicht zu, den einzelnen Stilen ein absolutes Zeitfenster zuzuweisen. Bekanntestes Merkmal romanischer Architektur sind die allgegenwärtigen Rundbögen. Kennzeichnend für diese Epoche sind weiterhin starke Mauern und Pfeiler, Verzierungen in Form von Kapitellen, Kämpfern und Lisenen und nicht zuletzt die Bogenfriese.
Bereits von außen ist die Nicolaikirche an der Form ihrer Rundbogenfenster und -zugänge als romanischer Bau zu erkennen. Im Inneren finden mit den Arkaden zwischen Turm und Schiff sowie mit Chor- und Apsisbogen die romanischen Merkmale ihre Fortsetzung. Die Apsis ist mit einem Bogenfries verziert. Die Mauerstärken betragen ca. einen Meter, die des Turmes liegt etwas darüber. Mit ihren drei Zugängen entspricht St. Nicolai der Idealform. Das Südportal und die Priesterpforte sind zwar vermauert, ihre ursprüngliche Form und Größe blieb dadurch jedoch erhalten. Der Zugang auf der Nordseite in jetziger Form ist dagegen jüngeren Ursprungs und entspricht nicht mehr dem Original. Eine bauliche Besonderheit stellt u.a. die Erhöhung des Bodenniveaus um über 1,2 m auf Grund von Staunässe dar, weiterhin die einzige gekuppelte Schallöffnung in der Nordwand des Turmes (1717) sowie die Tatsache, dass die Apsis in ihrer Ausrichtung seitlich von der Längsachse der Kirche abweicht. Während zahlreiche Kirchen im Lauf der Zeit durch Um- und Anbauten verändert wurden, blieb dies der Nicolaiklirche weitestgehend erspart. Trotz ihrer Schlichtheit besticht sie mit einer beeindruckenden baulichen Harmonie und das seit weit mehr als 800 Jahren – als steingewordener Zeuge unserer Heimatgeschichte.
Verschiedene Quellen datieren die Nicolaikirche bauzeitlich in den Zeitraum um 1170, andere verweisen z.B. ins Jahr 1135. Eine diesbezüglich genaue Festlegung wird kaum möglich sein. Schriftliche Nachweise zum eigentlichen Kirchenbau haben sicher nie existiert. Ebenso wird sich wohl nie klären lassen, über wieviel Jahre sich der Bau hinzog. Neben architektonischen und kunsthistorischen Merkmalen können also lediglich spärliche zeitgenössische Schriftquellen zur Datierung herangezogen werden, solange sie derartige Schlussfolgerungen erlauben und sofern deren chronologische Einordnung selbst als gesichert angesehen werden kann. Verschiedene Aspekte verweisen zumindest auf möglicherweise drei zeitlich aufeinander folgende Bauabschnitte, die in einem Zeitrahmen im Übergang von der hochromanischen Phase zur Spätromanik angesetzt werden können. Teile des Turmes sind möglicherweise noch älter.
Einzelne, in diesem Artikel nur angeschnittene Themen ausführlicher zu behandeln, bleibt der Zukunft und damit dem weiteren Wachsen dieser Website vorbehalten. Es wird also regelmäßig etwas Neues zum Bau, zur Geschichte und zur Ausstattung der Nicolaikirche zu lesen geben. Besser ist natürlich, alles mit eigenen Augen zu sehen. Wir freuen uns also darauf, Sie auf einen persönlichen 2. Blick begrüßen zu dürfen. In diesem Sinne...
(Text und Bild M.Kunzmann)
Die Kanzel
Eine Inschrift besagt, dass die Kanzel 1619 aufgestellt wurde. Sie steht auf der Südseite des Chors und lehnt sich an den Triumphbogen an. Der Aufstieg von Osten her über eine Treppe ist schmal gehalten und schließt mit der Südwand ab. Die Kanzel ist aus Sandstein gefertigt. Der Kanzelkorb entspricht der Form nach einem Achteck, von welchem sechs Seiten sichtbar sind und gliedert sich somit abzüglich des Aufstieges in fünf Felder. Er ruht auf einem ebenfalls achteckigen Fuß. Ein Schalldeckel wird auf Grund der mäßigen Höhe der Kanzel und in Relation zur Größe des Saales vermutlich nicht existiert haben. Steinmetzzeichen wurden bislang nicht entdeckt.
Die Inschrift findet sich als Gravur im ersten Kanzelfeld neben der Treppe. Der Wortlaut ist auch heute noch trotz Übermalung deutlich sichtbar und gut zu lesen: „GOTT DER HEILIGEN DREYFALTIGKEIT ZU EHREN UND DIESER KIRCHEN ERBAUUNG IST ANŌ 1619 DIESER PREDIGSTUL VON DEN HIERZU VERTESTIRTTEN GELDE FRAW URSULA WEYDEHOFERIN UND ZU SCHOS AUS DER GEMEINE UND KIRCHEN ERBAUET WORDEN.“
Wie aus dem Bild ersichtlich ist der Text in Majuskeln mit größtenteils sehr ausgeprägten Serifen gehalten. Das U ist dabei der Zeit entsprechend nach unten spitz zulaufend und erscheint der Form nach als V. Unter „HIERZU VERTESTIRTTEN GELDE“ ist zu verstehen, dass ein Betrag zu eben dem Zweck der Anschaffung einer neuen Kanzel aus dem Nachlass der Familie Weidenhofer testamentarisch verfügt wurde. Das in der Inschrift Frau Ursula Weydehoferin genannt ist, lässt sie relativ zweifelsfrei als Stifterin gelten. Sie war die Witwe von Laurentius Weidenhöfer, der bis 1606 Pfarrer in Röblingen war. Die Errichtung der Kanzel fällt in die Amtszeit seines Nachfolgers und Schwiegersohnes, dessen Name sich gleichfalls als Gravur am unteren Rand der Kanzel findet: Adam Weichmuth.
Nach einer Beschreibung des Eislebener Heimatforschers Hermann Größler aus dem Jahr 1895 enthielten die übrigen vier Kanzelfelder ursprünglich Darstellungen der Evangelisten, also Matthäus, Markus, Lukas und Johannes als die Autoren der vier Evangelien des Neuen Testaments über das Leben Jesu. Da von der Kanzel „das Wort Gottes“ verkündigt wird, wurden für ihre künstlerische Gestaltung die Evangelisten häufig als Motiv gewählt und sind als Figurengruppe in ganz Deutschland bis in die Neuzeit entsprechend weit verbreitet. Matthäus und Johannes werden dabei traditionell auch als die gleichnamigen Apostel Jesu angesehen.
Die Evangelisten sind seit den im Jahr 1890 durchgeführten Umbaumaßnahmen nicht mehr sichtbar, weshalb über deren Darstellung bzw. die künstlerische Ausgestaltung der betreffenden vier Kanzelfelder nur gemutmaßt werden kann.
Im Bereich der Brüstung findet sich eine weitere gravierte Inschrift: „MALACH. Z. DES PRIESTERS LIPPEN SOLLEN DIE LEHRE BEWAHREN UNDT DAS GESETZ SUCHEN.“ Hierbei handelt es sich um ein Zitat aus der Bibel, genauer um einen Vers des Propheten Maleachi (Malachias), dessen Schrift als Teil der „Zwölf Propheten“ das letzte Buch des Alten Testaments darstellt.
(Text und Bild M.Kunzmann)
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